Pride Parade Wien, June 17th, 2023. I happen to cross a line of trucks filled with lightly dressed youth on my way to Chinese school and have to admit that I can't make up my mind about this event. The Vienna pride parade takes place the 27th time this year. With up to 250k participants, it is not only the largest registered demonstration, but also a pillar of Western expression of freedom of speech. The rainbow parade is considered a powerful sign for a society based on appreciation, recognition and equal rights - regardless of sexual orientation, gender identity or gender characteristics.
I stop and watch. I try to suck in the atmosphere. Yes, I can feel freedom and a positive vibe not only coming from the speakers on the trucks. But there is also something else. And it irritates me. There is this focus on sexuality, as if it is what defines the human being. The West seems to have reduced its cultural values to sexual freedom and being able to blast 300 decibel of music into residential area. Isn't there anything more to Western culture? Is this why I have returned? Is being able to express my sexual freedom what matters most? It seems that over the years, I have become a conservative. Not only in the sense that I want to conserve nature for the generations to come, but also in the sense of conserving life supporting values. Freedom without limitations, freedom that is not balanced with duties and a sense of responsibility, does not attract me, on the contrary, I have a natural weariness. The German philosopher David R. Precht was during the Covid-19 pandemic triggered to write a book about civilian duty and citizenship responsibility. I believe that this subject will in the years to come extend itself to many more areas than how we ought to cooperate during a public health crisis. Vienna gave birth to three schools of psychology which argued against each other about the causes of human motivation. Sigmund Freud stresses with psychoanalysis the frustration in sexual life; Alfred Adler emphasizes the frustration to dominate others and identified power as the main motivation; Viktor Frankl founded logotherapy and argued that human frustration is caused in the individual will-to-meaning. Pride parades are without doubt defined by a Freudian character, yet they are not only about sexual frustration, but quite a bit about sexual healing. I wonder however, if climate change and social disruptions do not call for other formats and the promotion of different subjects. Would an activist from Letzte Generation participate in a Pride Parade? Further reading: Der norwegische Schriftsteller Henrik Ibsen[i] stellte 1882 in seinem Stück „Der Volksfeind“[ii] grundlegende Fragen zum Funktionieren der Demokratie und dem Wert der Wahrheit. Das niederösterreichische Landestheater verleiht dem Klassiker in einer Neuinszenierung seit 27. Jänner aktuelle Dringlichkeit.[iii] Wir waren am 25. Feber in einer Vorstellung mit anschließender Publikumsdiskussion und verbinden unsere Eindrücke in diesem Essay mit aktuellen Themen lokaler und globaler Dimension.
Der Volksfeind Es ist eine typische Situation, die wohl in jeder – auch undemokratischen – Kleinstadt vorstellbar ist. Ein Geschwisterpaar ist in führenden Gemeindefunktionen, die Schwester ist Bürgermeisterin, der Bruder leitender Arzt der städtischen Kuranstalt. Dieser untersucht das Thermalwasser und stellt fest, dass es mit krankheiterregenden Keimen verunreinigt ist. Er fühlt sich Wahrheit und Wissenschaft verpflichtet, schreibt einen Bericht und will die Allgemeinheit darüber informieren. Seine Schwester ist pragmatische Politikerin, die den Ruin der Stadt voraussieht, sollte die Verunreinigung des Thermalwassers ans Licht kommen. Die Kuranstalt ist die wichtigste Säule der lokalen Wirtschaft. Sie fühlt sich dem ökonomischen Überleben der Gemeinde verpflichtet und setzt alle Hebel in Bewegung, ihren Bruder mundtot zu machen. Es entfacht ein theatralisch verstärkter Geschwisterkonflikt, der wohl von Ibsen beabsichtigt, den ewigen Kampf innerhalb des Menschengeschlechts widerspiegelt: homo homini lupus. Der Arzt, Dr. Stockmann, geht seinen Weg der Wahrheit anfänglich selbstsicher und mit der Unterstützung seiner Tochter Petra, die in der Neuinszenierung als jugendliche Vertreterin der Fridays for Future oder der Letzten Generation zu sehen ist. Ihr Vater sucht im Redakteur der lokalen Zeitung und einem regionalen Verleger Verbündete, um der Wahrheit zum Erfolg zu verhelfen. In der Einflussnahme auf die Medienvertreter entscheidet sich im Stück der Kampf zwischen Bruder und Schwester. Die Bürgermeisterin lenkt geschickt die Aufmerksamkeit von Redakteur und Verleger auf die unmittelbare wirtschaftliche Bedrohung durch das Ausbleiben der Kurgäste und schiebt dadurch die Bedenken hinsichtlich der Thermalwasserverunreinigung in weite Ferne. Der Kämpfer im Dienste von Wahrheit und Wissenschaft wird in weniger als einer Stunde diffamiert und zum egoistischen Volksfeind erklärt, dem die abstrakte Wahrheit wichtiger ist als das Wohl der Gemeinschaft. Ähnliche „plots“ kennen wir hierzulande durch die Piefkesaga[i] und die jüngste mediale Diskussion um die Millioneninvestitionen im Skitourismus[ii], der immer deutlicher langfristige ökologische Notwendigkeiten kurzfristigen ökonomischen Interessen opfert. Aber auch global betrachtet, hat vor allem die Ausnahmesituation Covid-19 gezeigt, wie wenig die gesellschaftlichen Entscheidungsträger den Zusammenhang zwischen der Pandemie, notwendiger wirtschaftlicher Transformation und Klimakrise verstanden haben. So wie in Ibsens Theaterstück droht uns als „globales Dorf“ die sechste Artenvernichtung, aber wir treffen kurzfristige Entscheidungen entlang überholter wirtschaftlicher Paradigmen. Die Publikumsdiskussion In der an die Aufführung unmittelbar anschließenden Publikumsdiskussion, zu der etwa 30 Gäste und das Theaterensemble samt Dramaturgin erscheinen, spiegeln sich Kernaussagen des Stückes wider. Fragen zur Mündigkeit der Mehrheit, zur demokratischen Meinungsfindung und dem Zweck der Wahrheit werden in den Wortmeldungen der Teilnehmer regelrecht parodiert. Ein älteres Paar der offensichtlich gehobenen sozialen Schicht begnügt sich damit, die Schauspieler zu loben und vergisst darüber hinweg auf den Inhalt einzugehen. Ein Gelehrter wirft mit Zahlen und Statistiken um sich und prophezeit drei Jugendlichen der Friday for Future Bewegung, dass bald eine Lösung zur Klimakrise gefunden werde. Die Jugendlichen kontern mit anderen Zahlen, und wirken wie ahnungslose Söldner eines Krieges, der von anderen angezettelt wurde. Es herrscht wie in der Demokratie üblich Uneinigkeit. Es mangelt an einem gemeinsamen Ziel, und noch viel mehr: einem gemeinsamen Weg dorthin. Ist das Volk unfähig zu regieren? Ist die Demokratie ebenso wie der Kommunismus eine hehre Illusion, die sich Intellektuelle mangels Menschenkenntnis auserdacht haben? Ist die Demokratie nichtsdestotrotz das kleinste Übel unter allen Regierungsformen, wie Winston Churchill einst berühmt sagte? Müssen die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Mechanismen der Demokratie generalüberholt werden, um jene Entscheidungen zu treffen, die uns derzeit notwendige Lösungen finden lassen? Oder ist der Mensch evolutionäre Ausschussware? Was bewegt die “Letzte Generation“? Ähnlich wie die drei Mitglieder der lokalen Friday for Future Bewegung in der Volksfeind-Publikumsdiskussion, haben die Journalisten Anna Mayr und Bernd Ulrich im Magazin der Zeit vom 16.2[i] drei Protagonisten der Letzten Generation zum Gespräch oder sollte ich eher sagen zum Verhör gebeten. Der raue Unterton ist mir als erstes aufgefallen: will man hier Systemgegner (sprich Volksfeinde?) verurteilen oder in einem freundlichen Gespräch die Motivation von jungen Menschen hinterfragen, ihr Leben in den Dienst einer notwendigen Systemveränderung zu stellen? Dieses Interview im Magazin der Zeit zu finden ist an sich schon etwas eigenartig. Eingebettet zwischen ganzseitigen Werbeeinschaltungen zu Luxusuhren, Luxustaschen, Trendberichten über Beanie-Mützen, findet man elf (!) Seiten mit stilisierten Schwarzweißaufnahmen von der 20 jährigen Carla Rochel, dem 38 jährigen Raul Semmler und der 23 jährigen Aimee van Baalen, drei zentralen Figuren der deutschen Bewegung, die bereits über 1000 Mitglieder zählen soll. In der Ausgabe der darauffolgenden Woche wird anstatt der Letzten Generation die italienische Rockband Maneskin gefeatured. Nur damit wir wissen, mit wem wir es hier in punkto Status zu tun haben. Askese trifft auf Extravaganz und Völlerei. Sie sind also Stars einer Gesellschaft - oder soll man sie Anti-Stars nennen - die mit sich selbst nicht mehr im Reinen ist. Ansonsten würden sie in der großformatigen Zeit im Feuilleton oder im Dossier ihre Antworten zu ontologischen, aus einem Milan Kundera Roman stammenden, Fragen wie dieser geben: Wann haben sie ihre Leichtigkeit verloren? Gemeint ist: wann mussten die Mitglieder der letzten Generation ihre Kindheit aufgrund der bedrückenden Realität einer nicht abzuwendenden Klimakrise aufgeben? Es werden junge Menschen interviewt, die schlicht erkannt haben, dass wir nicht so weitergehen kann wie bisher. Menschen, denen ihr ruhiges Leben genommen wurde, denen die Auseinandersetzung mit der Realität keine andere Wahl ließ. Zeitgeist Klimakrise. Es ist aus mit den „goldenen Jahren“, mit dem Frieden, mit unreflektiertem Wachstum. Es ist Schluss mit lustig. Das Resultat sind Jugendliche und junge Erwachsene, die keine Perspektive mehr haben, die anstatt innerhalb des herrschenden Systems ihren Platz zu suchen, dieses offen angreifen und sabotieren. Sind diese Menschen anders als islamische Fundamentalisten oder reaktionäre Neonazis? Was haben sie mit anderen Randgruppen gemeinsam, was unterscheidet sie von diesen? Ich mußte mich beim Lesen des Interviews mehrmals an Weltentwerfen erinnern, einem Buch des Hamburger Designers Friedrich von Boerries[i]: „Wir haben Strukturen überwunden, die nicht effektiv sind”, sagt Van der Baalen. Welche Strukturen meint sie damit? Jene hochgeschätzten aber nicht mehr funktionierenden Strukturen der westlichen Demokratie? Warum funktionieren diese Strukturen nicht mehr? Oft habe ich in den letzten Jahren die Demokratie als ein System kritisiert, das Demokraten an Verfassungen hängen läßt, ähnlich wie Bibelchristen jedes Wort eines vor 2000 und mehr Jahren geschriebenen Buches in der Gegenwart leben wollen. Die Demokratie stammt aus dem 19. Jahrhundert, einer Zeit in der Innovationen zwischen 20 und 50 Jahren brauchten, um aus der Taufe gehoben zu werden. Eine Zeit in der wenige als eine Milliarde Menschen auf der Erde lebten und einen Bruchteil der acht Millarden heute lebenden Konsumenten verbrauchten. Innovationszyklen haben sich in vielen Industrien auf sechs Monate reduziert und damit der output an neuen Produkten – egal ob für die Gesellschaft oder den Planeten von Vor- oder Nachteil – exponentiell beschleunigt. Ein Beispiel das mir ad hoc einfällt, ist der durch einen vorübergehenden data-goldrush angetriebene Erfolg von Mietfahrrädern in China, der bis in den Westen schwappte, und erst nach einer gigantischen Vergeudung von Rohstoffen, Arbeitskraft und Finanzmitteln, auf der Halde endete. Xiamen, China, 2017. Halde von falsch geparkten Mietfahrrädern. Können wir uns als Menschheit – auf einem Planeten, der endliche Mittel zur Verfügung stellt – derartige Verfehlungen noch leisten? Natürlich nicht, aber die Systeme, die diesen Verfehlungen Einhalt gebieten sollen, der Markt und die Politik, versagen – und zwar egal ob gelenkter Staatskapitalismus oder freie Marktwirtschaft draufsteht. Das Label verheimlich nur, wie der Historiker Harari schrieb, dass die Systeme inhaltlich derselben Religion huldigen: Wachstum. Hinter Wirtschaftswachstum versteckt sich jedoch ein moralisches Problem, welches der Umweltschützer Gus Speth mit Gier, Apathie und Ignoranz beschrieben hat. Die Klimakrise als Prisoner’s Dilemma Eine Kultur der Maßlosigkeit erzeugt maßlose Menschen, die ihre Freiheiten ausleben wollen, aber ihre Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft nicht wahrnehmen. Mit etwas Berechtigung fragt sich der einzelne am unteren Ende der Hackordnung, warum er sich mäßigen soll, wo doch die Oberschicht bekanntlich den größten CO2 Fußabdruck hat, indem sie weder auf ihre Langstreckenflüge und transatlantischen Urlaube noch auf SUVS und argentinische Steaks verzichten will.[i] Wer kann einem da schon einen Vorwurf machen, wenn man billiges Hackfleisch von Lidl brät oder frustriert die Red Bull Dose in die Hecke des Gemeindebaus donnert? Die Klimakrise ist ein Klassenproblem[ii] und erst die Überwindung der Klassentrennung wird dies lösen. Denn: ein ökonomisch marginalisierter Mensch interessiert sich nicht für den Klimawandel oder Biodiversitätsverlust. Das Prisoner’s Dilemma oder zu Deutsch Gefangenendilemma[i] ist ein wichtiges Element der Spieltheorie. Es handelt sich dabei um eine Situation, in der die einzelnen Entscheidungsträger immer einen Anreiz haben, sich so zu entscheiden, dass das Ergebnis für die Gruppe nicht optimal ist. Das Gefangenendilemma konnte in mehreren Aspekten des Kapitalismus nachgewiesen werden. Es ist sowohl auf die Bildungskrise[ii] wie auch auf die Klimakrise anwendbar und stellt essentiell die Frage nach der Gruppenzugehörigkeit. Im klassischen Beispiel von zwei Gefangenen, die bei Kooperation aus dem Gefängnis ausbrechen können, während nur einer eine unsichere Belohnung erhält, wenn er den anderen beim Gefängniswärter verpfeift, wird leicht übersehen, dass auf kapitalistische Gesellschaften umgelegt, die Besitzer von Produktionsmitteln die Gefängniswärter repräsentieren, während die Gefangenen die Arbeiter sind. Ähnlich wie in der Bildungskrise sollte man jedoch angesichts der Klimakrise hinsichtlich der Spieltheorie einen Dimensionssprung vornehmen, denn das suboptimale Ergebnis von Einzelentscheidungen betrifft nicht zwei Gefangene, die kooperieren können, sondern die Kooperation zwischen Gefangenen und Gefängniswärtern. Von einer ökologischen Perspektive aus betrachtet sind sowohl Gefangene wie auch Gefängniswärter Teil eines Systems, das überlastet ist und droht zusammenzubrechen. Nur das Bewusstsein, dass wir alle Mitglieder einer einzigen Menschheitsfamilie sind, die verfügbare Ressourcen fair teilen muss und Verschwendung eliminieren kann, indem sie staatlichen Wettbewerb abschafft und globale Infrastrukturen wie etwa im Bereich der Energieversorgung herstellt, kann die Klimakrise überwinden. Solange wir uns binär in Form von in-Gruppen und out-Gruppen organisieren, werden wir Herausforderungen globaler Dimension nicht bewältigen können. Unsere nationalstaatlichen Mechanismen sind aber danach ausgerichtet, Menschen durch einen Reisepass als Zugehörige einer Gruppe zu definieren. Unsere parteipolitischen Strukturen sind danach ausgerichtet, Angehörige einer Partei zur in-group zu zählen, was Angehörige einer anderen Partei zur out-group macht. Unsere Religionen funktionieren entlang derselben Muster. Das Überwinden von ineffektiven Mechanismen, wie die Mitglieder der Letzten Generation konstatieren, bedeutet also im Kern, sich nicht mehr in ideologische Lager einteilen zu lassen, sondern lösungsorientiert – über alle Klassen hinweg - Allianzen einzugehen, die sich wirklichem Fortschritt und somit der Meritokratie verschrieben haben. In diesem Zusammenhang muß betont werden, dass das Einparteiensystem zumindest theoretisch als ein Fortschritt gegenüber dem Mehrparteiensystem erkannt werden kann, sofern es sich dem Fortschritt verpflichtet und nicht wie meist praktisch der Fall, der Unterbindung von berechtigten Meinungen. Umweltschutzkommission St. Pölten In der letzten Sitzung der Umweltschutzkommission, die etwa alle zwei bis drei Monate von DI Thomas Zeh, dem Leiter der Umweltabteilung des Magistrates ausgeschrieben wird, um über Themen des städtischen Umweltschutzes mit Repräsentanten der Zivilgesellschaft zu diskutieren, gingen die Wogen hoch. Auf der Agenda stand die Verleihung eines Preises an die ehemaliger Leiterin der Umweltschutzabteilung, DI Leutgeb-Born, die erfolgreiche Einreichung des fit4urban Projektes durch Stadtplanering Carina Wenda und als Haupttagungspunkt die Vorstellung einer großen Biotop-Studie durch Dr. Thomas Denk – dem inoffiziellen Stadtbiologen. Ich war wegen letzterer Studienpräsentation erstmals Teilnehmer der Umweltkommission und wurde von einem Thema überrascht, welches ich nicht am Radar hatte: den Bau des niederösterreichischen Polizeitrainigszentrums im Westen der Stadt. Ein betroffener Bewohner des Stadtteils brachte mit einem Vertreter einer Umweltschutzorganisation einen Antrag auf Re-evaluierung des Projektes ein und kritisierte äußerst eloquent die Mediokratie, welche die sozialdemokratische Stadtregierung implementiert. Es war ohne Einbeziehung der Anrainer dieses seit Jahren größte Bauprojekt der Stadt entschieden worden, obwohl diesen anstatt der drohenden Lärmbelastung durch Hubschrauber und Übungshallen für Langfeuerwaffen ein Wald mit mehreren tausend Bäumen versprochen worden war. Nun handelt es sich bei diesem Thema um keines, das in den klassischen Umweltschutz fällt, wenn man Lärmbelastung von Menschen nicht als Materie des Umweltschutzes im engeren Sinne erachtet, aber nicht nur die Art der Entscheidungsfindung, wie auch die politischen Motive dieses lokalen Falles sind ein Bilderbuchbeispiel, welches Mitglieder der Letzten Generation als „ineffektive Mechanismen“ anprangern. Die Entscheidung der Stadt den geplanten und den Anrainern versprochenen Wald ohne Diskussion mit einer neun Hektar großen Gebäudestruktur zu ersetzen, die 1600 Arbeitsplätze in die ehemalige Industriestadt bringt, ist ökonomisch nachvollziehbar – sozial gesehen ist sie inakzeptabel. Nichtsdestotrotz gibt der sozialdemokratische Vizebürgermeister Ludwig eine Verteidigungsrede des Projektes zum Besten, die inhaltlich leer ist und die jeder achtsame Mensch wie ich nun schon öfters feststellen musste[i] als Unwahrheit empfinden muss. Auf die Frage, seit wann mit dem Innenministerium über das Polizeitrainingszentrum verhandelt wird, erwidert er mit einer typischen Ausrede sinngemäß „Mir stehen keine Detailinformationen zur Verfügung, aber diese Verhandlungen haben ohne Zweifel erst nach der Bewerbung des Stadtteiles als grünes Siedlungsgebiet begonnen und haben sich nicht überschnitten.“ Faktum ist, dass sich die Stadtregierung eines der ökonomisch wichtigsten Projekte der kommenden Jahre gesichert hat, die nach dem Abzug der niederösterreichischen Landesregierung aus Wien, noch einmal 1600 von der Bundesregierung finanzierte Beamten-Arbeitsplätze in die Region bringt. Die Abwägung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Auswirkungen auf ein Ökosystem stehen also in diesem Fall ebenso im Zentrum wie in fast jeder klassischen Fragestellung von Umweltschutz und Klimawandel und es ist nicht per se zu kritisieren, dass man der Wirtschaft Vorzug gegeben hat, sondern dass keine Interaktion mit den Betroffenen eingegangen wurde, um die Auswirkungen bestmöglich einzudämmen.[ii] Wie schon so oft in St. Pölten wird das Vertrauen der Bürger schwerstens verletzt und somit nur schwer wieder aufzubauendes „social capital“ zerstört. Diese Zerstörung von Vertrauen wie sie ua der Politikwissenschafter Francis Fukuyama[iii] in mehreren Büchern beschrieben hat, entsteht durch mangelhafte Transparenz, wiederholte unwahre Aussagen, von der Realität enthobene Politiker, denen ihr kurzfristiger Machterhalt wichtiger ist als das langfristige Wohl von Bürgern und Umwelt. Hier schliesst sich der Kreis zwischen der Umweltschutzkommission in St. Pölten und Henrik Ibsens Theaterstück „Der Volksfeind“ und erhält eine beachtliche Pointe nach der Präsentation der Biotop-Studie wegen der ich ursprünglich diesem lokalpolitischen Schauspiel beiwohnte. Als ich den Autor Dr. Denk frage, ob er uns eine Kopie seiner Studie zukommen lassen kann antwortet er sinngemäß, dass er das nicht wisse. „Schliesslich ist die Studie im Auftrag der Stadt entstanden. Und in St. Pölten ist es nicht üblich, dass derartige Berichte an die Öffentlichkeit gehen. Und wenn, dann nur zögerlich.“ Auf meine Feststellung, dass die Studie mit Steuergeld erstellt worden sei, ernte ich ein Seufzen und Achselzucken. 14 Volksfeinde im Hammerpark Im St. Pöltner Hammerpark steht eine Skulptur, in die mich vor einiger Zeit unser Sohn geleitet hat. Im Inneren der Halbkugel findet man 14 Namen und befindet sich quasi in einem geschlossenen, von der Umwelt abgeschnittenen Raum. Ich drehte mich um meine eigene vertikale Achse und las die Namen auf den Schildern, ging aus der Halbkugel wieder raus in den Park und las die Beschreibung der Skulptur. Ich ging wieder rein. Der vom Park abgeschlossene, aber durch die Öffnung der oberen Kugelhälfte doch mit der Welt an sich verbundene Raum beeindruckte mich. Es waren die Namen von 14 Widerstandskämpfern, die gegen Ende des Krieges im Jahre 1945 im Hammerpark ermordet worden waren. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken. Denn damals vor etwa zwei Jahren erkannte ich das erste Mal, dass meine Entscheidung im Jahr 2016 in die Resistance zu gehen und die zweite Hälfte meines Lebens der Umweltbildung zu widmen anstatt weiterhin in der Wirtschaft unerfüllt Geld zu scheffeln, sehr wohl mit diesen Widerstandskämpfern verglichen werden kann. Die außergewöhnlich traurige Geschichte dieser 14 Personen, die zu Ende des zweiten Weltkrieges von Mitbürgern in Uniform hingerichtet wurden, führt uns klar vor Augen, wie ähnlich der Fall Klimaaktivist und Widerstandskämpfer ist und wie schnell die Rollen, die man im Gefangenendilemma einnimmt, sich ändern können. Nur wenige Wochen später waren die Hinrichtenden zu Kriegsverbrechern geworden und die Volksfeinde zu Märtyrern. Es ist natürlich immer eine Frage der Perspektive, wie man Menschen einordnet und welche Rollen man ihnen zuteilt, aber der der Wahrheit verpflichtete Humanist, weiß daß die Einordnung immer wieder neu im jeweiligen Moment erforderlich ist. Umgelegt auf die Gegenwart ist dennoch ein gewisser geistiger Sprung vorzunehmen, der manchen meiner Gesprächspartner schwerfällt. Kann man denn die Klimakrise mit dem Nationalsozialismus vergleichen? Ich antworte meistens mit einer Gegenfrage: Warum vergleicht man - wie etwa im zuvor erwähnten Zeit-Magazin - Klimaaktivisten mit Fundamentalisten oder Rechtsradikalen? Entbehrt dies nicht jeder Grundlage? Ist es nicht so, dass Klimaaktivisten die Gesellschaft nicht zerstören, sondern die Mitbürger darauf aufmerksam machen wollen, dass sie sich selbst zerstört? Das wollen viele nicht einsehen, denn die Mehrheit, so glaubt man hat Recht, und vor allem dann, wenn sie sich das „label“ Demokratie aufheften kann. Aber hat eine Mehrheit Recht, die den Planeten unbewohnbar macht und große Teile der Bevölkerung ökonomisch marginalisiert? Sind die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung, die 49% der Treibhausgase verursachen, nicht vergleichbar mit der nationalsozialistischen Herrenrasse, die den Untermenschen den Gar ausmachen will? „Aber sei doch nicht so extrem, höre ich da oft. Dieser Vergleich ist doch vollkommen überzogen.“ Nein, das ist er nicht. Die Halbkugel im Hammerpark zeigt räumlich nachvollziehbar, dass Volksfeinde eine in der Minderheit befindliche out-Gruppe darstellen, die in einer stark konformen Gesellschaft wie dem Nationalsozialismus von der in-Gruppe ermordet werden dürfen. Wir leben in der Gegenwart wiederum in einer stark konformen Gesellschaft, die Reichtum in den Händen weniger konzentriert und die mangelhafte Verteilung von Wohlstand durch Scham und Schuld aufrechterhält. Es ist daher für die konservative „Mehrheit“, die sich ihre Privilegien nicht nehmen lassen will, noch immer in Ordnung die Letzte Generation zu verurteilen; und die von der Mehrheit gewählten Politiker können weiterhin Steuergelder für Fußballstadien[i], Skizirkus[ii], Olympische Spiele in austrocknenden Städten[iii], FIFA Worldcups in Wüstennationen, oder wie im Falle von St. Pölten für eine pompöse Musikschule[iv] ausgegeben werden, obwohl zeitgleich die Infrastruktur der Pflichtschulen oft an Kriegsgebiete erinnert.[v] Weiterlesen:
Fußnoten: [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Henrik_Ibsen [2] https://en.wikipedia.org/wiki/An_Enemy_of_the_People [3] https://www.landestheater.net/de/spielplan/spielzeit-2022-23/ein-volksfeind-oder-das-ringen-um-wahrheit [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Piefke-Saga [5] https://www.derstandard.at/story/2000143764538/skifahren-um-jeden-preis-orf-schauplatz-ueber-den-millionenaufwand-in [6] https://www.zeit.de/zeit-magazin/2023/08/letzte-generation-mitglieder-motivation-klimaaktivismus [7] https://www.mingong.org/blog-en/a-lucid-manual-for-transformation-by-architect-friedrich-von-borries; https://www.mingong.org/blog-en/book-review-design-theorist-friedrich-von-borries-on-how-to-project-the-world [8] https://www.oxfam.org/en/press-releases/worlds-richest-10-produce-half-carbon-emissions-while-poorest-35-billion-account [9] https://kontrast.at/andreas-kemper-interview-klasse/ [10] https://de.wikipedia.org/wiki/Gefangenendilemma [11] https://www.mingong.org/blog-en/on-the-education-crisis-and-the-prisoners-dilemma [12] https://www.facebook.com/formanek.niko/videos/208993215039861 [13] Der betroffene Anrainer bringt vor, dass mit wenig Aufwand im Vergleich zu den erreichbaren positiven Auswirkungen das Projekt örtlich etwas versetzt hätte werden können, wenn man Entschädigungszahlungen für Landwirte im Baugebiet in Kauf genommen hätte. [14] https://www.darkmatteressay.org/the-great-disruption-by-francis-fukuyama.html [15] https://www.linza.at/117-millionen-explodieren-jetzt-auch-die-kosten-fuer-die-lask-raiffeisen-arena/ [16] https://www.derstandard.at/story/2000143764538/skifahren-um-jeden-preis-orf-schauplatz-ueber-den-millionenaufwand-in [17] http://www.mycountryandmypeople.org/01-blog-2133823458/beijing-2022-on-chinese-nationalism-western-bigotry-and-global-sustainability-of-large-scale-sporting-events [18] https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/sankt-poelten/erster-blick-auf-neuen-musik-und-kunstschulcampus-in-st-poelten/401406423 [19] beispielsweise NMS Viehofen oder VS Ratzersdorf 0 Comments Aufsässiges Land. Streik, Protest und Eigensinn.3/10/2023 0 Comments Im Museum Niederösterreich ist bis 21.1.2024 eine interessante historische Ausstellung zu sehen, die sich mit der "Protestkulur" in Niederösterreich beschäftigt und eine stattliche Anzahl an Streiks, Aufständen, Widerstandsbewegungen und Ähnlichem im Detail dokumentiert. Die Publikumsführung durch das wissenschaftliche Team des Museums unter der Leitung von Dr. Christian Rapp war informativ, ist aber leider nicht auf die hinter diesen Protesten stehenden Motive näher eingegangen. Die Führung verlor sich daher in der detaillierten Erzählung von einzelnen historischen Ereignissen. Im Anschluss lud die Dramaturgin des Landestheaters Julia Engelmayer an die Lange Tafel zu einer Publikumsdiskussion. Einer der Teilnehmer war der Museumsdirektor Matthias Pacher, mit dem ich mich vor etwa zwei Jahren für ein längeres Gespräch getroffen hatte, um Synergien zwischen der Arbeit von Green Steps im Naturraum St. Pölten und den Ausstellungen des Museum Natur zu finden. Eine unverschämt gelogene Wortmeldung von Matthias Pacher führte dazu, dass ich diesen zur Rede stellte. Der Moderatorin Julia Engelmayer war das nicht gerade recht, weswegen ich ihr einige Zeilen zur Relevanz von Klassen(selbst)bewusstsein schrieb. Wenn sich Vertreter der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht zu einem Diskurs über Protestkultur treffen und die zentrale Frage im Raum steht, welche Allianzen geschlossen werden müssen, um dem Klimawandel effektiv zu begegnen, muss selbstkritisch hinterfragt werden dürfen, welcher Klasse wir selbst angehören und welche Prozessbeteiligungen wir zulassen oder nicht. liebe frau engelmayer, danke für die Organisation dieser Veranstaltung. Zumindest ermöglichen derartige Abende ein Gespräch an einem Tisch. Zur Selbst-Reflexion möchte ich ihnen jedoch ein feedback geben: sowohl sie als auch Herr Brossmann neben mir haben durch Mimik und Gestik gezeigt, dass meine Antwort auf Herrn Pachers statement fehl am Platz war. War sie dass? Ist das Aufzeigen von lokalem Machtmissbrauch fehl am Platz - gerade wenn sich Menschen zum Thema Protestkultur und Umweltschutz auseinandersetzen? Wir haben uns getroffen, um über Protestkultur offen zu diskutieren, aber es wird eine offensichtliche Lüge, die letztendlich zum mehrfach angesprochenen Vertrauensverlust führt, akzeptiert und es wird indirekt ersucht darüber nicht zu sprechen. Sie haben das Stück Ibsens wiederholt und die Bürgermeisterin gemimt. Anbei meine Korrespondenz mit Herrn Pacher zwischen Feber und April 2021, die als Beweis dient. Sie fragen sich vielleicht als Beweis worfür. Ich hausiere seit 11.Jänner 2021 bei verschiednen Entscheidungsträgern der Stadt - angefangen mit dem Bürgermeister und Herrn Pacher inkludierend - mit einem Konzept für Umweltbildung, das unser schwer krankes primäres und sekundäres Bildungssystem für den Klimawandel tauglich machen soll. re__kontakt_green_steps_3.eml Download File Herr Pacher hat sich gestern entschuldigt, aber auch diese Entschuldigung war unaufrichtig. Er hat ganz bewusst, trotz zweimaligem Nachhaken nicht geantwortet. Der Grund war mir damals schon klar, denn er hat diesen in unserem Treffen angeführt: das Museum NÖ kooperiert nicht mit externen Organisationen für sein Programm und er will keine “externe Bespielung” seines Hauses. Anstatt mit uns gemeinsam das Programm des Museum Natur nahtlos mit dem umliegenden Freiraum der Stadt - wie von mir vorgeschlagen - zu verbinden, hat Herr Pacher im Frühling darauf erstmals seine eigenen Mitarbeiter eingespannt, den Museumsgarten als pädagogische Fläche zu aktivieren und im Jahr darauf die Vogelstimmenplakate quer durch die Stadt zu installieren. öffentliche Museen sind mit Steuergeldern finanziert, umso kritischer sehe ich die Verfehlungen von Herrn Pacher, die wie viele andere Entscheidungen in der Stadt darauf abzielen, eine Art von Monopol in gewissen Kulturbereichen aufzubauen. Sprechen sie mit den Leuten vom Sonnenpark oder dem Eigentümer der Seedose, die werden ihnen viel zu diesem top-down Kulturprogramm der Stadt und des Landes erzählen - wenn sie mit ihnen so offen reden wie mit mir. Das Kernproblem im menschlichen Zusammenleben war und ist, so wie Aldous Huxley 1962 in seinem berühmten Essay on the politics of ecology geschrieben hat, der Missbrauch von Macht - in jeglicher Konstellation, die in unserem sozialen Universum denkbar ist. Es ist der Missbrauch der Macht, der seit jeher in Protesten und Revolutionen überwunden werden wollte. Es ist der Missbrauch von Macht der die Produktionssteigerungen durch Automatisierung und Digitalisierung nicht an die Weltbevölkerung fair weitergeben hat. Es ist der Missbrauch von Macht, der diese Klimakrise erzeugt. Wieder runtergebrochen auf die lokale Ebene: hätte Herr Pacher 2021 nach unserem Treffen aufrichtig seine Verantwortung als Museumsdirektor der Allgemeinheit gegenüber erfüllt, so wären einige tolle von meinem Verein in Shanghai entwickelte Formate ins Museum Natur als Bereicherung gelangt. Er hätte wie mit Handschlag zugesagt einen Folge-workshop organisieren müssen und sein Haus nicht nur für meinen Verein als Plattform öffnen können, um einen dringend notwendigen Bottom-up Diskurs zum Klimawandel zu starten und das Museum Natur im Idealfall in eine bürgeroffene Institution wie das Climate Lab in Wien zu verwandeln. Das hätte zumindest ich an seiner Stelle als achtsamer und systembewusster Museumsdirektor eingeleitet. Derartigen Situationen begegne ich in meiner Rolle als Vertreter einer NGO in St. Pölten wiederholt … Arroganz, Apathie und Machtdenken sind die wirklichen Hürden. Ohne dass wir diese offen ansprechen, wird sich der status quo zu langsam ändern. Organisationen wie Green Steps sind in St. Pölten bzw Niederösterreich, wie Herr Formanek richtig sagt, Bittsteller der untersten sozialen Klasse: https://www.facebook.com/formanek.niko/videos/208993215039861 Indem sie das Gespräch über derartige Verfehlungen salonunfähig machen, tragen sie dazu bei diese Machtsituation zu festigen, anstatt in unserem Dorf Veränderung einzuleiten. Der positive Narrativ alleine reicht nicht, um Veränderung herbeizuführen. Es bedarf einer kämpferischen Haltung - wie uns die Ausstellung gezeigt hat - und einer Gesprächskultur die Konflikte nicht scheut, sondern sie der Wahrheit verpflichtet dort austrägt, wo sie aufkommen. Ich empfehle ihnen daher, die nächste Veranstaltung zum Thema Umweltschutz nicht als Kulturprogramm, sondern als Aktionismus zu inszenieren. Eine Analyse der eigenen Position in der Gesellschaft bzw mehr Klassenbewusstsein und das Erkennen der eigenen Rolle ist hierzu unabdinglich. Das hat mir gestern komplett gefehlt - sogar der Berufsdemonstrant hat sich als außerordentlich privilegiert eingestuft und an der langen Tafel saßen nur Vertreter einer sehr beschränkten ökonomischen Klasse. Bis das Gegenteil bewiesen ist, sehe ich in ihnen eine potentiell Verbündete für eine notwendige Transformation und es freut mich wieder zu derartigen Formaten eingeladen zu werden. Mit freundlichen Grüßen, kw 0 Comments Bei all der Freude, dass durch den Verlust der absoluten Mehrheit der ÖVP endlich etwas Bewegung in dieses gelähmte Niederösterreich kommt, ist es zutiefst bestürzend wohin uns als Gesellschaft die Politik der Proporzparteien gebracht hat. Das Wahlergebnis und die jüngsten Umfragen machen einen Bundeskanzler Herbert Kickl spätestens 2024 sehr wahrscheinlich. Werden die anderen Parteien wie bisher nur versuchen diesen zu verhindern, so werden sie scheitern. Im Landtag Niederösterreich wird eine geschwächte SPÖ unter dem jungen Sven Hergovich oft mit Grün und NEOS kooperieren, und an der Koalitionsregierung mit der ÖVP komplett untergehen. Warum selbst die Analysten der heutigen Ö1 Sendung nicht die Parallelen zu den 1930er Jahren sehen, als eine Weltwirtschaftskrise und mangelnde Solidarität der christlichsozialen Partei (welche Farce, dieser Name) quasi nahtlos in einer nationalsozialistischen Partei aufgeben ließ, ist mir unbegreiflich. Sowohl der brilliante Psychoanalytiker Wilhelm Reich wie auch der vergleichende Historiker Barrington Moore haben diese Entwicklungen beschrieben, sodass sie für jedermann nachvollziehbar sind und va vorausgesagt werden können. Das Land benötigt dringend positive und transformative Ideen, um ein Abrutschen ins Totalitäre zu vermeiden. Was mich als Wähler äußerst verstimmt ist die Verschwendung des Wahlkampfes. Die ÖVP hat angeblich mehr als sechs Millionen Euro rausgeblasen. Mit idiotischen und unerwünschten Postsendungen an die Wohnungstüre jedes Haushaltes im Lande. Die FPÖ hat eine sicherlich ebenso teure Wahlkampagne geführt, die sich zielgerichtet an die junge Wählerschaft gerichtet hat: Udo Landbauer hat mich auf sozialen Medien regelrecht verfolgt. Könnten wir diese Steuergelder nicht viel besser investieren? Natürlich wäre das möglich. Aber offensichtlich sind die Bürger nicht bereit, dies vom Staat und der Verfassung, die unser Bundespräsident so vehement verteidigen will, zu fordern. Ebenso enttäuscht bin ich nach so vielen Jahren des nicht in Österreich Wählens, wie deprimierend dieser Vorgang abläuft. Ich habe meine Stimme Sonntag früh in einer Sonderschule St. Pöltens abgegeben, wo vier etwas mitgenommene Frauen links meine Identität feststellten; eigentlich nur eine, die anderen sahen dieser sehr gelangweilt zu. Danach ging ich mit unserem Sohn zu einer der beiden Kabinen, die noch immer so aussah wie vor 30 Jahren als ich meinen Vater zu Wahlen begleitete. Vor mir tat sich eine schier unübersichtliche Anzahl an analogen Möglichkeiten auf, mein Kreuz irgendwo zu setzen, was mich etwas ans Schifferlversenken erinnerte. Nachdem mich aber unser Sohn, der erstmals einen demokratischen Wahlprozess live miterleben durfte, entgeistert fragte, was hier eigentlich los sei, hielt ich mich zurück und erklärte ihm, was es mit den Parteien und den vielen Namen auf sich hat. Diese Erklärung hat mir selbst die Absurdität dieses Systems und seine Überholungsbedürftigkeit nochmals vor Augen geführt. Unsere Gesellschaften haben sich technologisch in den letzten 30 Jahren exponentiell verändert, aber unsere demokratischen Prozesse sind im Jahr 1950 steckengeblieben. Demokratie kann nicht mehr nur mittelbar sein. Demokratie muss unmittelbar sein. Demokratie kann sich nicht mehr auf die Wahl einer Partei beschränken, die dann für mehrere Jahre irgendetwas macht. Demokratie muss gelebte Mitbestimmung sein und im Zeitalter moderner Kommunikationstechnologien um vieles dynamischer. Wir brauchen keine Berufspolitiker mehr. Diese sind ebenso wie ÖVP und SPÖ Auslaufmodelle. Wir brauchen Bürger, die in agilen Teams Politik machen. Jeder muß an der Macht teilhaben können; und jeder muß dadurch in die Verantwortung gehen. Die direkte Demokratie ist das Modell des 21. Jahrhunderts und die einzige Alternative zu Herbert Kickl. Das Wahlergebnis in NÖ in bullet points:
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Dieser Essay nimmt den BAWAG Skandal 2006 als Ausgangspunkt um die Politik Österreichs anhand der Wahlkampfplakate für die niederösterreichischen Landtagswahlen sowie die Antrittsrede des Bundespräsidenten zu analysieren. Ich beschreibe überholungsbedürftige demokratische Institutionen, die dem Wähler nur drei Möglichkeiten geben: 1. den schwer korrupten Status Quo durch eine Stimme für SPÖ oder ÖVP zu verlängern 2. den Status Quo in destruktiver Geisteshaltung mit einer Stimme für die FPÖ oder 3. den Status Quo in konstruktiver Geisteshaltung mit einer Stimme für Grüne oder NEOS zu verändern. Die Frage, dies sich abschliessend aufdrängt: welches System ist erforderlich, damit wir die angesichts Klima- und Sozialkrise notwendigen Entscheidungen treffen? Aufgrund des massiven Mitarbeiterabbaus bei Bawag und easybank, wo ich als Student in den späten 90er Jahren ein Konto eröffnet hatte, und auf welches ich derzeit die Familienbeihilfe beziehe, musste ich etwas recherchieren und bin auf den Bawag Skandal 2006 gestoßen. Es ist unglaublich, was in den wenigen Jahren, in denen ich nicht in Österreich war, alles passiert ist. ÖGB Verschuldung, Karibik Geschäfte, 1.3 Milliarden Vergleich, um US Gläubiger zu befriedigen, etc. In einer Bank die 1922 vom Sozialdemokraten visionären Karl Renner für die Arbeiterschaft gegründet wurde, um diesen Kredit unabhängig von den kapitalistischen Elementen der Gesellschaft zu gewähren. Bitte sich dies nocheinmal vor Augen zu führen: die Bank, die einst von unseren sozialdemokratischen Wegbereitern gegründet wurde, um den Arbeitern Kredit außerhalb des kapitalistischen Systems zu gewähren, wird vom Eigentümer ÖGB, der Arbeitergewerkschaft, zuerst in kapitalistischste Geschäfte involviert und dann an eine Investmentbank an der Wall Street verhökert. Karl Renner würde sich im Grab umdrehen, wenn er könnte. Wie kann man nur die Ersparnisse der rechtschaffenen Bevölkerung derart verprassen und dann nur zwei ÖGB Bonzen als politisch Verantwortliche in die Pension schicken? Dieses systemische Problem belastet die österreichischen Proporzparteien bis heute und ist Teil unseres kollektiven Dilemmas. Es ist nicht aufgearbeitet und ist Grund für ein frustriertes Abdriften der Wählerschaft nach rechts und eine generelle Frustration mit der Demokratie. Der Fall der BAWAG ist ein Sinnbild für den Ausverkauf unserer Gesellschaften, in denen Arbeiter ihren hart erkämpften Lohn sparen und von den Eliten des Landes, sowohl in Österreich wie auch in den USA und anderen exzessiv kapitalistischen Systemen darum betrogen werden. Ich wiederhole: der BAWAG Skandal war kein isoliertes Ereignis, sondern kurz vor der Lehmann Brothers Insolvenz und der Weltwirtschaftskrise ein Indiz wie sehr die sozialen post-Weltkrieg II Errungenschaften in westlichen Demokratien durch die skrupellose Gier von Bänkern, und die Apathie von Politikern ausgehöhlt werden. Dieser Prozess ist nachwievor im Gange und wurde mehrfach dokumentiert wie etwa von Francis Fukuyama in The Great Disruption oder Thomas Piketty in Capital in the 21st Century. Die easybank ist seit 2019 nur mehr eine Marke der BAWAG, welche auch 2019 an die Börse ging und vom US Investor Cerberus abgestoßen wurde. Sie gilt mittlerweile als profitabelste online Bank des Landes - kein Wunder: keine Filialen, keine Mitarbeiter, kein Service, nur Tonbänder und webbots. Im Ausgleich zu den Optimierungen gibt es bei der BAWAG seit 2006 die höchsten Management Vergütungen des Landes. Wer auf google Kundenrezensionen zur easybank liest, der versteht welchen Schaden diese neue Profitabilität verursacht hat: hunderte frustrierte und seit 2020 vom OGH bestätigt, betrogene Kunden. Was mich besonders überrascht ist der Umstand, dass die BAWAG PSK Gruppe, obwohl viele Jahre im Eigentum eines ausländischen Risikoinvestors, weiterhin die Hausbank der Republik geblieben ist. Genehmigt oder ignoriert vom damaligen Finanzminister KH Grasser, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein der BReg Schüssel II. Weiterhin ignoriert von der gegenwärtigen BReg. Der NEOS Mandatar Sepp Schellhorn stellte 2018 im Parlament einen Antrag, die Hausbankkonten neu auszuschreiben. Dieser Antrag wurde vom ÖVP Finanzminister Hartmut Stöger negativ beantwortet. Dh es ist der ÖVP egal, dass jährlich EUR 200 Mrd Steuergeld einem im Besitz von US Hedgefunds stehendem Finanzinstitut anvertraut werden. Genau aus diesem Grund hat Cerberus die angeschlagene BAWAG 2006 übernommen: die Kundenloyalität des Bundes. Mit dem Verkauf der Kronjuwelen dh Unternehmensbeteiligungen und Immobilien und dem Abbau von hunderten Mitarbeitern ist aus der BAWAG eine ausgelutschte Hülle geworden, an der sich unzählige Bänker auf Kosten des Bürgers bereichert haben. Auch bei der BAWAG tritt der Immobilienhai Rene Benkö in Erscheinung, der sich die unter Denkmalschutz stehende Zentrale am Stubenring um EUR 150 Millionen einverleibt hat. Würde die Republik das Hauskonto abziehen, so käme es mE zum Kollaps der Bank, denn viel Substanz ist da nicht mehr, jedoch unzählige frustrierte Kunden, die nicht viel brauchen, um so wie ich ihr Konto zur Konkurrenz zu verlegen. Auch Kleintier macht bekanntlich Mist. In der Menge gar nicht so wenig. Ernüchternd ist jedoch, dass der Klassenkampf, der im österreichischen Bürgerkrieg zugunsten der Arbeiterschaft ausgegangen ist, über die vergangenen Jahrzehnte einen großen systemischen Rückschlag erhalten hat. In diesem Licht ist die eigenartige Atmosphäre zu verstehen, die ich während der COVID Demonstrationen im letzten Winter wahrgenommen habe. Denn es war eine Stimmung des Aufruhrs, der viel tiefer saß und eine andere Ursache hat, als die Entscheidung der Regierung, die Bevölkerung verpflichtend gegen das Virus zu impfen. Die Stimmung erinnerte mich an die USA vor dem Wahlsieg Donald Trumps, den ich damals aufgrund des Sozialabbaus und dem Versagen der demokratischen Institutionen voraussagte. Das Virus, an dem diese Gesellschaft leidet, ist nicht physischer, sondern moralischer Natur. Solange wir dies nicht begreifen, und Mechanismen installieren, die Korruption und Machtmißbrauch reduzieren, wird es keinen Fortschritt geben. Dass nachwievor am kommenden Wochenende (29.Jänner) mehr als 60% der Wähler in Niederösterreich ÖVP und SPÖ ihre Stimme geben und mehr als 20% einer freiheitlichen Partei geben werden, die Österreich in eine Festung umgestalten will, zeugt davon, dass wir mehr politische Bildung benötigen; denn nur ein gebildetes Volk ist fähig verantwortungsvoll zu regieren und sich gegen BAWAG Ausverkäufe zu schützen. Ein Sprichwort sagt, dass die Demokratie das kleinste Übel unter den sozialen Ordnungen ist. Aber ebenso wie ich unseren zehnjährigen Sohn frage, als er uns nach einer Schulprüfung erzählt, dass die meisten seiner Klassenkameraden schlechtere Noten haben als er: "Warum vergleichst du dich nicht mit jemandem, der besser ist?“ Ebenso erinnere ich alle daran, dass es für unsere Demokratien noch viel Raum für Verbesserungen gibt. In fast jeder Hinsicht. Es hat keinen Sinn, die eigene Gesellschaft mit denen zu vergleichen, denen es schlechter geht. Analyse der Wahlkampfplakate Welche Botschaften lassen sich also aus den Wahlplakaten ziehen, die im ganzen Land eine visuelle Kakophonie erzeugen?[i] Drei der vier etablierten Parteien spiegeln als Metathema ihre Unfähigkeit wider, sich zu verändern. Ihre Slogans und ihre Formulierungen sind nicht dynamisch, sondern statisch und werden das Funktionieren eines Systems verlängern, das uns eindeutig im Stich lässt. In einer Situation, in der mehr vom Gleichen keine Verbesserung bringt, sollten wir uns daran erinnern, was uns kluge Menschen über Fortschritt und Problemlösung sagen. Albert Einstein sagte, dass Wahnsinn darin besteht, dass man immer wieder das Gleiche tut und andere Ergebnisse erwartet. Viktor Frankl sagte dasselbe aus der Perspektive des persönlichen und kollektiven Dilemmas: Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, eine Situation zu ändern, sind wir gefordert, uns selbst zu ändern. Die christlich-konservative Partei, die in Österreichs größtem Bundesland mit absoluter Mehrheit regiert, ist weithin als die Gewerkschaft der Millionäre bekannt. Wie ein Chamäleon hat diese Partei ihre Heimatfarbe Schwarz gegen die Farben der Staatsflagge getauscht: Gelb und Blau. Der Wechsel der Farben ist Programm: "Hier haben wir das Sagen". Was die Wählerinnen und Wähler verstehen könnten: Wir wollen nicht, dass die Einwanderer uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Was die Wählerinnen und Wähler verstehen sollten: Hier regieren wir, und wir denken nicht daran, die Macht zu teilen oder gar abzutreten, trotz grassierender Misswirtschaft. Die sozialdemokratische Partei, die seither die absolute Mehrheit in der Provinzhauptstadt hat, bildet eine Koalition mit den Konservativen. Leere Werbeplakate vermitteln einen ähnlichen Mangel an Agilität. Eine alternde Politikergeneration, die die vor ihr liegenden Herausforderungen nicht versteht, krächzt immer wieder den gleichen Slogan: Das sind wir. Wenn man bedenkt, dass die soziale Mobilität seit den 1990er Jahren erodiert, gibt es nichts, worauf die Sozialisten stolz sein können. Was auch immer sie nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer gleichberechtigteren Gesellschaft beigetragen haben, ist fast vollständig verschwunden und hat zu Diagrammen geführt, die an - entschuldigen Sie, dass ich nicht politisch korrekt bin - afrikanische Diktaturen erinnern. Laut Teach for Austria, einer Initiative, die versucht, bessere Chancen für wirtschaftlich benachteiligte Kinder zu schaffen, leben 289 Tausend Kinder und Jugendliche in Familien mit einem Einkommen unter der nationalen Armutsgrenze; wenn man bedenkt, dass es in Österreich 1,7 Millionen Kinder unter 20 Jahren gibt, bedeutet dies, dass fast 17 % der österreichischen Kinder in relativer Armut leben. Außerdem ist der Bildungserfolg in hohem Maße vererbbar, maW: Österreich hat die geringste soziale Mobilität in der EU und Österreich ist die EU-Gesellschaft, in der es am schwierigsten ist, sein Los zu verbessern. Die Frage, die sich mir sofort aufdrängt, lautet: Wird mehr Bildungsbereitschaft eine echte Lösung für eine so tief verwurzelte systemische Ungleichheit sein? Nicht nur in Österreich, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus? Bildung ist, wie wir sehen werden, nur ein Faktor in einer komplexeren Gleichung. Das auffälligste Beispiel für pathologische Rigidität liefert die nationalistische Partei. Der Klubobmann schlägt vor, die Grenzen zu schließen und die nationale Sicherheit zu gewährleisten, indem er Österreich in eine Festung Österreich verwandelt, obwohl die demografische Realität eine Zuwanderung dringend erfordert, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Der Spitzenkandidat der Provinz bietet ein kryptisches "besser für euch, morgen besser" an, ohne dem Wähler zu sagen, wie. Ich fühle mich auf seltsame Weise an Chinas Große Mauer und eine lange Geschichte falscher Sakoku-Politik erinnert. Ok, also zurück ins dunkle Mittelalter. Das ist der richtige Weg. Die Grünen, die in diesem kleinsten Übel der Gesellschaftsordnung meine Unterstützung verdienen, enttäuschen mit einem leeren "morgen" und einer Fokussierung auf teure Klimatechnologie, die global kaum skalierbar ist und auf Jahre hinaus ein Luxus bleiben wird, den sich nur kleine Fraktionen der Welt leisten können.[i] Sicherlich werden Investitionen in grüne Technologien die Volkswirtschaft, wenn schon nicht boomen, so doch zumindest über Wasser halten, aber lösen Investitionen in High-Tech-Sektoren wie Mobilität und Energie wirklich diese Mehrfachkrise? Die Grünen erscheinen als kapitalistische Konservative, denen - zumindest auf ihren Plakaten - eine ausgeprägte soziale Dimension fehlt. Das Fehlen dieser sozialen Dimension und die blinde Konzentration auf grüne Technologien könnten als Lehrbuchfall für die Theorie des black swans dienen.[ii] Die Lösung der Umweltkrise ist zu einem großen Teil eine soziale Frage. Wenn sie nicht an prominenter Stelle auf der politischen Agenda steht, und damit meine ich das Aufpeitschen der Wählerschaft mit Kernbotschaften über eine neue soziale Agenda, vermisse ich politische Visionen und Weisheit. Analyse der Antrittsrede des Bundespräsidenten Wer die Antrittsrede von Alexander van der Bellen am 26. Jänner gesehen hat, der weiß zu schätzen, in diesem oft übersehenen Amt eine direkt gewählte Person zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass die Probleme einer demokratischen Monarchie, wie jener Großbritanniens, zu einem guten Teil darauf zurückzuführen sind, dass die vergleichbare Position des Bundespräsidenten von einem Monarchen besetzt ist, der sich weder moralisch noch professionell profilieren muss, sondern einfach lange genug auf das Ableben seiner Mutter wartet. In den vergangenen 10 Jahren, von denen ich acht im Ausland verbrachte, habe ich nur zweimal meine Verantwortung wahrgenommen, durch die Abgabe einer Wahlstimme, auf unsere demokratischen Vertreter Einfluss zu nehmen. Einmal 2013, als ich mich intensiv für den Einzug der NEOS in den Nationalrat engagierte, einmal 2016, um den FPÖ Kandidaten Norbert Hofer zu verhindern und Alexander van der Bellen als Bundespräsident zu unterstützen. In beiden Fällen schwang für mich eine Verantwortung mit, ein Erstarken des rechtsextremen Flügels einzuschränken, denn inhaltlich habe ich der Politik anderweitig bereits vor 20 Jahren den Rücken gekehrt und mein Wahlrecht reduziert sich darauf, was ich wo konsumiere. Das Thema Nationalsozialismus ist auch jetzt wieder brandaktuell, wie die Antrittsrede van der Bellens zu seiner zweiten Amtsperiode bestätigt. Für mich haben sich allerdings die Vorzeichen grundlegend geändert, wie ich hier im Weiteren versuche zu erklären. Denn die Rede unseres in die Tage gekommenen Bundespräsidenten, gleichwohl ansprechend und einem Staatsoberhaupt mehr als würdig, lässt erkennen, dass auch van der Bellen übersieht, dass der Nationalsozialismus nicht die politische Gesinnung von populistischen Randgruppen ist, denen es Einhalt zu bieten gilt, sondern das Ergebnis von anhaltendem Machtmissbrauch der zentralen Kräfte einer Gesellschaft. Alexander von der Bellen sprach im neu renovierten Parlament von äußerst wichtigen Themen wie Hoffnung, Kompromiss und Angst – in starker Anlehnung an die Lehren des Wiener Neurologen und Holocaust Überlebenden Viktor Frankl - weswegen die religiösen Gäste wie Kardinal Schönborn sicherlich mit Aufmerksamkeit lauschten. In einer gewissen Weise erinnerte mich seine Rede an den familienbetonten Nationalismus Xi Jinpings, in welchem Gemeinsamkeit (结体)dem typisch westlichen Individualismus (独体) gegenüber gestellt wird. Er war sichtlich bemüht ein Miteinander zu suchen, indem er das Wirtschaftswachstum von 2022 und das Überwinden der Corona Krise als Leistung aller, insbesondere der Parlamentarier verschiedener Fraktionen hervorstrich, und im nächsten Atemzug ermunterte, dass man gemeinsam noch viel größere Probleme werde meistern können. Mitarbeitermotivation auf höchster Ebene. Das muss man ihm lassen. Insbesondere wenn man den Staat als Unternehmen sieht, welches sich gegen andere ähnliche Unternehmen rüsten muss. Und hier hake ich ein, denn van der Bellen, wie sollte es auch anders sein, hängt in einer sehr angenehmen Art und Weise einem nicht mehr zeitgemäßen Organisationsmodell an. Die mittelbare Demokratie ist nicht mehr geeignet, anstehende Probleme wie Klimawandel und Veränderung der Arbeitswelt zu lösen. Er stärkt mit seiner Rede den Nationalstaat und das gegenwärtige Modell der Demokratie, obwohl miteinander in Wettbewerb stehende Nationalstaaten kein zukunftsfähiges Modell sind, um etwa der Biodiversitätskrise entgegenzutreten, und die österreichische Demokratie – wie im BAWAG Skandal geschildert - in den vergangenen drei Jahrzenten instrumental war, hierzulande Chancengleichheit und Wohlstandsverteilung substanziell in den Boden zu fahren. Der Nationalsozialismus, wie vom vergleichenden Historiker Barrington Moore kurios aufgezeigt, ist ebenso wie die Demokratie weder schwarz noch weiss, sondern Teil eines fließenden Spektrums, und somit in Spuren immer vorhanden. Moore hat die Vorstufen des Nationalsozialismus als Catanismus (nach dem Römischen Staatsmann Cato) bezeichnet und erklärt, dass in jedem Staat sowohl ein Abgleiten nach rechts wie auch ein Abgleiten nach links von der machtpolitischen Inklusion der Bauern- bzw Arbeiterschaft abhängig ist. In gewisser Weise lassen sich Parallelen zwischen der Entmündigung der Arbeiterschaft in den 1930er Jahren und der Gegenwart ziehen, da die abnehmende Wohlstandsverteilung ähnlich wie damals zum Erstarken einer rechtsvondermitte Bewegung führt. Genauso wie van der Bellen ist mir nichts wichtiger als der nächsten Generation Mut und Hoffnung zu geben. Mut neue Wege zu beschreiten. Hoffnung auf eine wirklich bessere Zukunft. Aber wie ich schon anderorts geschrieben habe, ist die Verfassung und die auf ihr ruhenden demokratischen Mechanismen, welche unser Bundespräsident gegen rechtsvondermitte-Tendenzen verteidigen will, eine der größten Hemmschuhe, Hoffnung in greifbare Verbesserungen umzusetzen. Denn nicht nur Angst führt zur Erstarrung, sondern auch ein falsches Festhalten an Strukturen und Prozessen, die aus einer anderen Epoche stammen. Was man den Bibelchristen vorwirft, muss auch jenen zur Last gelegt werden, die an den Worten eines Gesetzes kleben, welches nicht mehr zeitgemäß ist. Wahrer Fortschritt stand auf gesellschaftlicher Ebene immer mit der Teilung von Macht in Verbindung und war seit jeher durch Kommunikationsmethoden beschränkt. Die Innovationen, die uns seit der 1970er Jahre Informationstechnologien wie Fernsehen, Computer, Internet und schliesslich soziale Medien beschert haben, wurden immer wieder von Kulturkritikern als die Ursache für ein fortschreitendes Verdummen der Bevölkerung dargestellt. Es ist an der Zeit, diese Technologien in den Dienste, der Demokratie zu stellen und diese so direkt wie nur möglich zu gestalten, um in der Politik Machtmiss-brauch, Ignoranz, Gier und Apathie nachhaltig zu verbannen. Stichworte wie universelles Grundeinkommen, fairer Mindestlohn „agile democracy“ haben mir in der Rede des Bundespräsidenten gefehlt. Aber wahrscheinlich ist die Lage noch nicht prekär genug, dass sich ein Staatsoberhaupt innovativ präsentiert. Wie Leopold Kohr bereits in den Nachkriegsjahren gezeigt hat, ist Fortschritt in der gesellschaftlichen Organisation nur durch das Rückbesinnen auf direkte und lokale Meinungsbildung möglich, weswegen er dem Dorf eine wesentliche Rolle innerhalb der Demokratie zuschrieb. Mit dem Wachsen jeder menschlichen Gesellschaft, von Nationalstaat bis hin zur Weltmacht verband er jedoch soziale und ökologische Gefahren, die sich mittlerweile in Schäden manifestiert haben. Staatliche Größe, so der Ökonom und Politikwissenschafter, produziere in vieler Hinsicht Hässlichkeit. Sein Schüler und Nobelpreisträger Fritz Schumacher formulierte diese Einsicht positiv als „small is beautiful.“ Das kleine Deutschösterreich, welches aus den Wirren des ersten Weltkrieges hervorging, wird nachwievor von einem Parlament aus regiert, welches während der Monarchie für den Reichsrat erbaut wurde. Van der Bellen hielt seine Rede im Plenarsaal des Parlamentes, welcher für acht Nationen, elf verschiedene Muttersprachen, 17 Kronländer, mehr als 30 Parteien und Gruppierungen, und zuletzt 516 Abgeordnete – eines 40 Millionen Einwohner großen Staatsgebildes - 1883 eröffnet worden war. Lassen wir die Geschichte des weltweit ersten Parlamentes für einen Vielvölkerstaat als Inspiration für die kommenden Jahre dienen; denn auch ein kleines Österreich kann als neues Einwanderungsland, das das relative EU Ranking in Asylanträgen unangefochten anführt, in Punkto Inklusion und modernisierter Demokratie Zeichen setzen, die auf die ganze Welt bleibenden Einfluss haben. Die Hymne van der Bellens an die Demokratie, sein Schwur diese ebenso wie die Verfassung zu verteidigen, wird jedoch durch die Realpolitik ad absurdum geführt und er macht sich wie ein Don Quixiotie auch etwas lächerlich. Denn nicht ohne Zynismus muß jeder wache Bürger erkennen (und solche wollen wir doch in einer ausgeschlafenen Demokratie) , daß dieses System faul geworden ist, und zusätzlicher Mechanismen bedarf, um das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen. So zeigen sich gerade unsere stattlich entlohnten Volksvertreter als jene die dem notwendigen Wandel am meisten entgegenstehen und ihre Versammlungsorte auf landes-, bundes- und europäischer Ebene als Angelpunkte der Transformationslähmung und der Demokratieschwächung. Es ist verständlich: unsere Volksvertreter haben am meisten zu verlieren. Nicht jeder ist so selbstlos wie NEOS Mitbegründer Matthias Strolz und gibt alle Privilegien die man als Nationalratsabgeordneter genießt, nach angekündigten fünf Jahren einfach wieder auf. Im Gegenteil sitzen unsere Volkvertreter oft auf Lebenszeit wie Maden im Speck, wenn nicht in einer demokratischen Institution, so wechseln sie zwischen unterschiedlichen Ebenen und zwischen verschiedenen Organisationen. Einige werden von ihrer Gier übermannt und bedienen sich aktiv an den materiellen Werten der Gemeinschaft, so wie etwa die drei jüngsten Fälle im EU Parlament zeigen, insbesondere jener der Vizepräsidentin des EU Parlamentes, der griechischen Sozialdemokratin Eva Kaili, die sich von Marokko und Katar hoch bestechen ließ. Der tiefe Fall des ehemaligen Innenministers Ernst Strasser muß noch in Erinnerung sein. Dieser wollte sich seine Lobbying Dienste in Brüssel mit EUR 100.000 monatlich vergüten lassen und flog dabei auf. Den Schaden am Vertrauen der Bürger in die Demokratie kann keine Haftstrafe wiederherstellen – auch nicht eine väterliche Rede van der Bellens. Ebenso problematisch wie diejenigen Politiker, die sich aktiv bedienen, sind jene die sich passiv verhalten, denen unterlassene Wandlungsfähigkeit und engagierte Volksvertretung vorgeworfen werden kann. Derartige Beispiele kann wohl jeder auf Kommunal- und Landesebene zitieren. Es muss daher eine Erneuerung der Demokratie angestrebt werden, nicht durch einen Bundeskanzler Herbert Kickl, sondern durch drastische verfassungsrechtliche Veränderungen Richtung direkter Demokratie. Einer der wichtigsten Aktionspunkte ist mMn die Beschränkung von Amtsperioden, und das Verbot, von einer Ebene der Volksvertretung nahtlos in eine andere zu wechseln: Jeder Politiker sollte nach einer maximal zwei Legislaturperioden wieder in einen unpolitischen Beruf wechseln müssen, um mit der Realität des Alltags wieder auf Tuchfühlung zu gehen. Leopold Kohr hat diesen Realitätsverlust und die dadurch entstehende Apathie als eines der Wurzelprobleme von mittelbaren Demokratien hervorgehoben. Während man derartige Anpassungen des demokratischen Mechanismus schon vor Jahren hätte implementieren können, sind andere Maßnahmen wie Bürgerräte mit umfangreicher informationstechnologischer Entscheidungsbeteiligung erst seit Kurzem möglich. Was man für Firmen bereits seit einiger Zeit predigt: das agile Team als zentrale Einheit der Organisation, um ständig neue Herausforderungen zu meistern. Ebenso wie in der Privatwirtschaft, muss diese Organisationmethode in der Politik bzw der Gesellschaft an sich Einzug halten, um die Macht von Partei-Interessensgruppen zu brechen und mündige Bürger an einer starken Demokratie teilhaben zu lassen. Bis unser Bundespräsident diese verfassungsrechtlichen Änderungen unterstützt, und damit einem weiteren Erstarken des rechten Flügels am produktivsten entgegentritt, sollte jeder Volksvertreter, egal ob in Kommune, Land, Staat oder EU einen Schnellsiedekurs über den SCRUM flow erhalten. Schon der Grundsatz, dass jedes neue Produkt sinnstiftend für den Nutzer, aber auch gewinnbringend für die Organisation sein muss, würde viele Aktivitäten innerhalb unserer demokratischen Institutionen überflüssig machen und Ressourcen für Kernthemen wie Bildung eröffnen. Weiterlesen:
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