Die Menschheit besteht im Grunde genommen aus zwei grossen Typen, welche Erich Fromm in The Anatomy of Human Destructiveness brilliant beschrieben hat. Die einen glauben an Selbststeuerung, die anderen mangels dieser an Steuerung von außen. Die einen sind verantwortungsvolle Individuen, die anderen ohnmächtige Herdentiere. Die einen quasi Taoisten, die anderen Konfuzianer. Die Konfuzianer zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Aufgabe ihrer Selbstbestimmung durch destruktive gesellschaftliche Agression – sowohl nach Außen wie auch gegen sich selbst gerichtet – kompensieren; Fromm hat dieser krankhaften Aggression die natürliche instinktive Aggression gegenübersetzt, welche Konrad Lorenz bei den Graugänsen beschrieben hat. Sigmund Freud hat das Phänomen der krankhaften Aggression ebenfalls in Civilization and its Discontents versucht zu erklären; und man mag zu ihm ambivalent stehen, aber Wilhelm Reich hat in the Mass Psychology of Fascism einen ebenso eloquenten wie auch wertvollen Beitrag zum Thema geleistet.
Die wenigsten von uns sind zu 100% der eine oder der andere Typ, aber wir tendieren grundsätzlich in eine Richtung. Das beängstigende an der Popularität von Kurz ist schlicht der Umstand, dass die allgemeine gesellschaftliche Situation, und ich spreche hier nicht von einer österreichischen, sondern durchaus globalen, Politikern Zuspruch gibt, die ohnmächtige, verängstigte und nach Führung suchende Herdentiere als ihre Wähler zählen. Diese gibt es immer; der gegenwärtige Trend ist jedoch wie auf einem Seismographen eine bemerkenswerte soziopsychologische Erscheinung, deren historische Analogien und kontemporäre Konsequenzen offenbar den meisten Beobachtern verschlossen bleiben.
Kurz mag zwar auf ältere Damen einen umwerfenden Eindruck machen, der mich an Adam Sandlers Rolle in You don't mess with the Zohan erinnert, und im Gegensatz zu Donald Trump auch bei jüngeren Wählern viel Zuspruch erfahren, sein politisches Handeln ist jedoch nur von Macht und nicht von Sinn motiviert. Er mag zwar ein geschickter Taktierer und Kenner der österreichischen Gesellschaft sein, aber es fehlt ihm wie leider den meisten Politikern an der Definition eines klaren Handlungszweckes der dem allgemeingesellschaftlichem Wohl dient.
Aber wer weiß, vielleicht ist Kurz ja doch ein noch nicht erkannter enlightened leader, der die allgemeine Ratlosigkeit wie zB mit dem Klimawandel umgegangen werden soll, erhellen kann. Nationalstaatliches Geplänkel ist jedenfalls nicht förderlich, was die gesamte Spaltung des Landes ad absurdum führt. Ich habe jüngst bereits einmal argumentiert, dass ich die Demokratie für ein überholtes Konzept und den erleuchteten Absolutismus für erstrebenswert halte, aber wird Kurz ein überregionaler, vielleicht sogar globaler Herscher? Empfehlenswert sich hierzu die Diskussion zwsichen Historiker Harari und TED chief curator Anderson zu Globalism vs. Nationalism anzusehen - mit deutschen Untertiteln!